Bei der überragenden Stellung des adeligen Gutes, das vor 1000 Jahren als „villa Bodenrod“ der Ursprung unseres Dorfes war, und wegen der bescheidenen Größe der Feldmark, hat sich hier eine sonst in Dörfern zu findende, von der Besitzgröße bestimmte, vielschichtige Sozialstruktur nicht ausbilden können. Alte Höfe, deren Ursprung zurückgeht bis in die Zeiten alter Markgenossenschaften, wie sie in der Lüneburger Heide zu finden sind, und die seit ältesten Zeiten als Vollhöfe allein vom Ackerbau lebten, sind hier nicht vorhanden.
Die ältesten Haus- und Hofstellen sind hier die der Kotsassen oder Kötner, die im 16. Jahrhundert entstanden sind, und deren kennzeichnender Besitz die „Kate“ oder „Köte“, das kleine Wohnhaus, ist. Ihre Besitzer waren als Tagelöhner oder Handwerker zunächst landlos und bekamen erst allmählich etwas Acker durch Erwerb auf der Feldflur, wo ihre Ackerfläche als „Kötnerstücke“ ausgewiesen wurde. Im Lagebuch des Amtes Fallersieben vom Jahre 1667 wird das Land, das die 7 Kötner in Beienrode bewirtschafteten, mit 11 Morgen angegeben. Und 1688 schreibt die Witwe Louisa von Veltheim „daß alle die Aecker, so bey den Kothöfen zu Beyenrode gebrauchet werden, von denen adelichen freyen Ländereyen ihnen beygeleget, auch über diese annoch einem jeden ein besonderer Morgen ein gethan, damit sie die ohnehin schuldigen Handdienste zur Erndte-Zeit desto fleißiger leisten und abstatten“. Neben den sieben Kothöfen gehörte zu den ältesten Hausstellen unseres Dorfes noch ein Brinksitzerwesen. Auch der Brinksitzer hatte anfangs keinen Landbesitz und hatte seine Bezeichnung von dem „Brink“, das war der noch unbebaute, meist am Dorfrand gelegene Hausplatz.
(Ausschnitt der Kurhannoverschen Landesaufnahme des 18. Jahrhunderts, herausgegeben von der Historischen Kommission für Niedersachsen, Hannover und vom Landesverwaltungsamt - Landesvermessung - Vervielfältigt mit Erlaubnis des Nds. Landesverwaltungsamt-Landesvermessung - BS - 170/80).
Diese neben dem Gut ältesten acht Hausstellen und deren urkundliche Erwähnungen sind folgende:
- Haus Nr. 1 Mühle, heute Kapellenplatz Nr.5
1667 Borchard Möller - 1742 Zacharias Steinmann - 1754 Job. Heinrich Herbst - 1838 Wilhelm Täger - 1845 Henniges - 1855 Rasch - 1924 Rittergut - 1928 Gustav Bolle - 1968 Herbert Bolle. - Haus Nr. 2 heute Masch Nr.7
1762 Günzel Haselhorst - 1800 Chr. Haselhorst - 1809 - 1848 Andreas Schulze - Rittergut - Heinrich Dörner, Stellmachermeister - Hermann Schulz. - Haus Nr. 3 heute Kapellenplatz Nr.4
1800 Job. Stute - 1850 Jakob Stute - seit 1895 Heinrich Schulze in mehreren Generationen. - Haus Nr. 4 heute Masch Nr.4
1742 Bader Bruns - 1800 Georg Klauditz - Bader Johann Heinrich Karl Klauditz 1812-1854 Friedrich Oppermann - 1890-1918 Friedrich Oppermann - 1924 Wilhelm Oppermann - 1927 Wilhelm Velke - 1930 abgebrannt Grundstück Helmut Velke. - Haus Nr. 5 heute Hauptstraße Nr.24
1742 Caspar Laue - 1754-1762 Joh. Caspar Laue - 1800-1848 Christoph Laue - 1859 Friedrich Laue - 1912 Friedrich Laues Erben - 1919 Rittergut -1921 Robert Jung - 1924 Otto Hischer - Franz Horne und Frau Else, geb. Hischer. - Haus Nr. 6 heute Kapellenplatz Nr.1
um 1603 Heinrich Kerkhower - vor 1650 Wilhelm Kirchhof - 1667 Hans Steinmann - 1762 Philipp Kirchhof - 1800 Christoph Kirchhof - 1854 Wilhelm Kirchhof - um 1900 Wilh. Kirchhofs Erben - 1910 Rittergut - 1920 August Spellig - 1924 Ernst Spellig - Rudolf Gewehr und Frau Elsbeth, geb. Spellig. - Haus Nr. 7 heute Hauptstraße Nr.22
1800-1848 Joh. Temme - Sievers - 1850 Chr. Lühr - um 1900 Friedrich Trippier - Seeleke - 1923 August Trippler, Postagent - 1924 Wwe. Trippler -Erich Vahle - D. Beneditz und Frau, geb. Vahle. - Haus Nr. 8 heute Hauptstraße Nr.23
um 1700 Hans Steinmann - 1720 Thomas Timme - 1764 Plagge - 1820 Joh. Heinrich Plagge - 1833 Juhus Plagge - 1855 Jürgen Körtge - 1900 Friedrich Körtge - 1914 Karl Körtge - 1924 Richard Körtge.
Zum alten Gutsdorf gehörten neben den Gebäuden des Rittergutes, die alle südlich der Straße nach Uhry lagen, während die acht alten Hofstellen der Kötner und des Brinksitzers nördlich dieser Straße gebaut waren, als ältestes heute noch erhaltenes Bauwerk des Dorfes die Kapelle. Dieses im 15. Jahrhundert vom damaligen Gutsherren errichtete kleine Gotteshaus war ursprünglich ein 10 x 7 Meter großes Rechteck, dem im Jahre 1851 eine fast halbkreisförmige Absis angefügt wurde. Aus der gleichen Zeit stammt die auf einem Mauervorsprung in der Nordostecke stehende Holzfigur der Mutter Maria mit dem Jesusknaben. Im 16. Jahrhundert entstanden die reich-verzierte hölzerne Altarrückwand, die ein kleines hölzernes Kruzifix als Bekrönung trägt und auch die Kanzel mit reichen ornamentalen Schmuck.
Auf dem Kapellenplatz, der im alten Gutsdorf der Mittelpunkt des Ortes war, stand auch das von allen Einwohnern benutzte Backhaus, das im vorigen Jahrhundert zur Schmiede wurde. Das letzte Haus des kleinen Dorfes war das am Wege nach Uhry liegende Hirtenhaus, das 1910 abgerissen wurde und in dessen Garten von Edmund Ködder ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet wurde. Die sieben Kötner waren dem Gut für den zugeteilten Acker auf den „Kötnerstücken“ zinspflichtig. Aus der „Beschreibung des adeligen Gutes Beienrode“ vom Jahre 1942 hat Willeke die damals aufzubringenden Lasten dieser kleinen bäuerlichen Wirtschaften veröffentlicht. Alle mußten jährlich 12 Tage mit der Hand für die Gutsherrschaft dienen. Jeder mußte alljährlich zwei Hühner in der Gutsküche abliefern, der Müller außerdem noch eine bestimmte Menge Korn. Dazu kam noch ein Geldzinz, der bei zwei Hofstellen bis zu 1 Taler ging. Auch in Ahmsdorf saßen dem hiesigen Gutsherrn zinspflichtige Bauern, die zum Teil auch Spanndienste leisten mußten. Da diese Dienste sicher nicht gern und willig ausgeführt wurden, war auch die Arbeitsleistung für Hand- und Spanndienste vorgeschrieben. So mußte der zur Arbeit auf dem Gute Verpflichtete bei der Getreideernte je Arbeitstag zwei Morgen mähen, zu Garben binden und in Stiegen aufstellen. Auch beim winterlichen Dreschen war die Zahl der auszudreschenden Garben vorgeschrieben. Die zu Spanndienst Verpflichteten hatten je Tag zwei Morgen für das Gut zu pflügen.
Ganz unvorstellbar ist für uns heute auch die Art der Viehhaltung der damaligen Zeit. Sie wurde gemeinschaftlich betrieben und ihre Grundlage war die Weide- und Mastberechtigung, die bis in den bewaldeten Dorm reichte. Jeden Morgen trieb der Hirte das Hornvieh, die Schafe und die Schweine auf die Weide. Der Kuhhirt erhielt dafür neben 5 Reichstalern jährlich freie Wohnung im Hirtenhaus, den Nießbrauch einer kleinen Wiese und an Naturalien eine bestimmte Menge Korn. Das Gut reichte ihm dazu an Wochenkost 21 Pfund Brot, (20 Pfund für sich und 1 Pfund für den Hund), ein halbes Pfund Speck, 3/4 Pfund Butter und 12 Käse.
Das es bei diesem gemeinschaftlichen Betrieb zwischen dem Gut und den minderberechtigten Kötnern zu Streitigkeiten kam, war natürlich. So fühlten sich die Kleinbauern in ihrer Weideberechtigung beeinträchtigt, als im Jahre 1603 Heinrich von Veltbeim einen Teil seiner Holzung zu einer Wiese umwandeln ließ. Der Amtmann mußte den Streit klären. Die Wiese durfte bleiben, aber nach der Mahd konnte sie von den Kötnern beweidet werden.
Im Dorm hatten die Beienröder auch eine Holzberechtigung. Das Amtslagerbuch Fallersleben von 1667 sagt darüber: „Auf dem Dorm haben sie ihre notdürftige Teuerung an weichem Holz zu suchen, dazu wirde dem Müller jährlich ein Schaufelbaum und jedem Einwohner von Beyenrode eine Feuer-Stuke angewiesen, und wenn ein oder anderer baut, so muß ihm das Oberholz im Dorm angewiesen werden, als Balken, Mauerplaten, Sparren und Bander“. Im Jahre 1743 fühlten sich die Beienröder Kötner in ihrer alten Holzberechtigung beeinträchtigt, als Georg Philipp von Veltheim seinen Herzog Karl von Braunschweig bat, ihm für das dem Gut zustehende freie Brenn-, Nutz- und Bauholz eine gewisse Waldfläche als Privatbesitz zu überlassen. Der Herzog schenkte seinem Hofjägermeister daraufhin „den Wald jenseits und entlangs des Landgeheges bis an die Schottorfer Berge“. Nun griffen die Beienröder zur Selbsthilfe und holten sich jeder ein Fuder Holz trotz des Widerspruchs des Gutsförsters aus dem Dorm. Trotz aller Strafandrohung ließen sie die ungesetzliche Selbsthilfe nicht und der Gutsherr wagte nicht, das Gericht anzurufen, weil er die althergebrachte Holzberechtigung kannte. Acht Jahre hielt die „Bürgerinitiative“ der sieben Dorminteressenten dieses gewagte Spiel durch. Dann überließ im Jahre 1756 der Herzog auf Bitten des Gutsherren auch den Beienröder Kötnern als Ausgleich für die verlorene Holzberechtigung eine Waldfläche im Dorm. Und für die entgangene Hude und Mast wurde zwei Jahre später jeder von ihrem neuen Gutsherren von Bülow mit einem Morgen Land am Uhryer Weg endgültig abgefunden. Damit war die Gruppe der kleinbäuerlichen Besitzer gegen Ende des 18. Jahrhunderts wohl wirtschaftlich stärker geworden, aber eine gewisse Abhängigkeit vom Gutsherren war doch geblieben. Für alle Dienstleute des Gutes und für die Einwohner, die in gutseigenen Häusern lebten, hatte der Gutsherr auch die Patrimonalgerichtsbarkeit, d. h. die private Ausübung der Rechtssprechung, die man auch Zaun- und Pfahlgericht nannte und die als „Niederes Gericht“ bezeichnet wurde.
Das beginnende 19. Jahrhundert brachte als politische Veränderung das für Napoleons Bruder Jerome errichtete Königreich Westphalen, in dem von 1810 bis 1813 unser Dorf zum Canton Weferlingen im Departement Oker gehörte. Die vom französischen Liberalismus geprägten Gesetze gegen Standesvorrechte, Zunftzwang und Patrimonalgerichtsbarkeit kamen in der kurzen Zeit der französischen Herrschaft hier nicht zur Wirkung, wurden aber nach dem Sieg über Napoleon zuerst in Preußen durch das Stein-Hardenbergische Reformgesetz und 1830 in dem seit 1814 zum Königreich Hannover durch die von Stüwe maßgeblich gestaltete Ablösungsordnung zum Gesetz. Nun wurden die grundherrlichen Verpflichtungen wie Hand- und Spanndienste, die Zehntlasten und Naturalleistungen aufgehoben. Das Ziel aber ging über die Ablösung der bäuerlichen Lasten hinaus und forderte Aufteilung des bisher gemeinschaftlichen Besitzes und die Zusammenlegung der kleinen Feldteile zu größeren Plänen. Das hannoversche Gesetz unterschied sich von der zwanzig Jahre älteren preußischen Reform dadurch, daß die Gutsherren für die Aufgabe der bäuerlichen Lasten und Abgaben nicht wie in Preußen mit Land, sondern im wesentlichen mit Geld entschädigt wurden. Dadurch wurde eine ungesunde Vergrößerung der Güter vermieden und dem Lande en leistungsfähiger Bauemstand auf den durch das Anerbenrecht gegen Realleilung geschützten Höfen geschaffen. Für die Aufbringung der Ablösungszahlungen, die 70 Millionen Taler betrugen und bis 1864 zu zwei Drittel abgezahlt wurden, sorgte die 1840 eingerichtete Landeskreditanstalt.
Voraussetzung für die Durchführung dieser Reformmaßnahmen waren die Separation, die Teilung zwischen dem Gut und der Dorfschaft, die 1845 durchgeführt wurde und die Verkoppelung der Dorffeldmark, die 1860 erfolgte. Die gemeinschaftliche Nutzung der Wiesen und Weiden hörte nun auf. 73 Morgen Grünland wurden in 16 gleiche Teile zerlegt, von denen jeder Kötner zwei Teile, der Brinksitzer und die Schule je ein Teil als Eigentum erhielten. Das bedeutete für jeden der kleinen Betriebe ein Landzuwachs von 8 - 10 Morgen.
Im 18. und 19. Jahrhundert vergrößerte sich das alte Dorf auch baulich. Die alten Hofstellen hatten entsprechend ihrem größer gewordenen Besitz Wirtschaftsgebäude nötig und durch Zuzug entstanden die anderen Häuser im Zuge der „Masch“.
In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden Gut und Dorf verwaltungsgemäß getrennt, so daß es eine Guts- und eine Dorfgemeinde gab. Die Gutsgemeinde zählte 1858 78 Personen und die Dorfgemeinde 95 Einwohner. Die Gemeindevorsteher unterstanden dem Amtmann in Fallersleben. 1852 wurden im Königreich Hannover Justiz und Verwaltung, die beide in den Ämtern vereinigt waren, getrennt und jedes Amt erhielt ein Amtsgericht, während dem Amtmann die Verwaltungsgeschäfte blieben. Als nach 1866 Preußen neuer Landesherr wurde, blieb es zunächst bei der Ämterverfassung, die dann im Jahre 1885 durch Erlaß der Preußischen Kreisverfassung ersetzt wurde. Damals entstand aus den Ämtern Meinersen, Fallersleben, Gifhorn und der Stadt Gifhorn der Landkreis Gifhorn.
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts brachten die wissenschaftlichen Lehren von Thaer und Liebig neue Erkenntnisse über eine bessere Pflege des Ackerbodens und über die Düngung überhaupt und veränderten die Landwirtschaft gründlich. Auch die kleinbäuerlichen Betriebe konnten nun durch verstärkten Anbau von Futterpflanzen wie Runkelrüben, Klee und Kartoffeln mehr Vieh halten und hatten bei der jetzt möglichen Stall-Viehhaltung im Gegensatz zu der aufgegebenen Weide-Viehhaltung auch mehr Dünger für den Acker. Die um 1850 in Königslutter gegründete erste Zuckerfabrik brachte als neue Feldfrucht die Zuckerrübe, deren Anbau sich lohnte.
Alle 187 Menschen, die Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hier wohnten, verdienten ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft oder im Handwerk als Schmied, Stellmacher, Schneider, Schuhmacher, Müller oder Bäcker. Es war eine stille Welt der Arbeit, in der bei Notfällen wie Geburt, Krankheit, Unfall oder Tod neben der selbstverständlichen nachbarschaftlichen Unterstützung die seit 1860 hier ansässige freiherrliche Familie Knigge Hilfe als patriarchalische Verpflichtung leistete.